Lesen und verstehen – so können Hörgeschädigte an Kommunikation teilhaben

Zu wenige Schriftdolmetscher in Deutschland

Trier. Direkte Kommunikation geschieht über Hören und Sprechen. Ist bei einem Gesprächspartner jedoch das Hören beeinträchtigt, kann er mit Hilfe eines Schriftdolmetschers an Diskussionen, Vorlesungen oder Gesprächen teilhaben. In Trier werden Schriftdolmetscher berufsbegleitend ausgebildet. Sie sorgen dafür, dass Hörgeschädigte das gesprochene Wort in Echtzeit entweder auf einem Laptop oder auf einer Leinwand mitlesen können.

Die erste Schriftdolmetscherin, die mit Spracherkennung arbeitete, ist Birgit Nofftz. Sie ist eine von nur 13 zertifizierten Schriftdolmetschern in ganz Deutschland, insgesamt sind hier maximal 50 Kolleginnen und Kollegen aktiv. Eine Studie des deutschen Schwerhörigenbundes hat jedoch bereits vor zehn Jahren einen Bedarf von bis zu 1300 Schriftdolmetschern ermittelt, der seitdem nicht erfüllt wird. Damit Birgit Nofftz die stetig steigende Nachfrage an Aufträgen zum Schriftdolmetschen bedienen kann, war sie Mitgründerin des Unternehmens Kombia und bildet den Nachwuchs seit 2006 selbst aus. Seit Ende März 2010 ist die Kombia GbR als Bildungsträger nach der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung (AZWV) zertifiziert. Dies bedeutet, dass die Teilnehmer von der Agentur für Arbeit, der Rentenversicherung oder auch der Berufsgenossenschaft finanziell gefördert werden können.

„Schnell habe ich gemerkt, dass die Teilhabe der Menschen an der Kommunikation mit einem nicht funktionierenden Gehör nicht allein durch Hörgeräte oder Gebärdendolmetscher zu erreichen ist. Dafür sind die Menschen und Behinderungen viel zu unterschiedlich“, berichtet die 32-Jährige, die an der Universität Trier Phonetik, Pädagogik und Psychologie studiert hat. Seitdem war sie in gemeinnützigen Einrichtungen tätig, zuletzt als Beraterin im HörBIZ Trier, dem Kompetenzzentrum rund ums Hören, Hörschädigung und Kommunikation. „Ich dolmetsche zum Beispiel für Patienten, die gerade ein Cochlea Implantat erhalten haben und das Hören neu lernen müssen. Oder ich begleite meine Kunden zum Arzt, zu Gesprächen mit dem Arbeitgeber, vor Gericht oder auch in die Universität zu einer Vorlesung, wo die Simultanübersetzung benötigt wird.“

Die Ausbildung ist geeignet für Menschen, die sozial engagiert sind, gerne mit und für Menschen tätig sind und Erfahrung mit dem Arbeiten am PC haben. Vermittelt werden neben dem Umgang mit der Medientechnik und der speziellen Software auch Hintergründe zu verschiedenen Hörschädigungen sowie Grundzüge der Gebärdensprache. Praktisch erlernt werden sowohl das Schriftdolmetschen mit konventioneller Methode, bei der das Gesprochene getippt wird, als auch die Methode mit Spracherkennung. Hierzu gehören auch Atem- und Stimmübungen und ein individuelles Sprechtraining. „Die Teilnehmer sollten flexibel sein und die Bereitschaft mitbringen, sich auf die Tätigkeit mit hörgeschädigten Menschen einzulassen. Sie sollten fit in Rechtschreibung sein und schnell Texte in den Computer eingeben können, idealerweise mit 200 bis 250 Anschlägen pro Minute“, erläutert Birgit Nofftz. „Gute Voraussetzungen haben zum Beispiel Logopäden oder Akademiker, die nach einer Pause beruflich neu einsteigen wollen und neugierig auf etwas Neues sind.“ Auch Menschen, die bereits in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet haben und so über ein gutes Allgemeinwissen plus vielfältiges Fachwissen verfügen, seien gut für den Beruf des Schriftdolmetschers geeignet, so Birgit Nofftz.

Im Juni 2011 beginnt der vierte Hauptkurs zum zertifizierten Schriftdolmetscher mit 18 Wochenendemodulen. Voraussetzung für die Teilnahme an dem einjährigen Zertifikatskurs ist der viertägige Basiskurs, der im Vorfeld an mehreren Terminen angeboten wird. Genaue Termine der berufsbegleitenden Ausbildung und weitere Informationen finden Interessierte unter www.kombia.de oder unter Tel. 0651 1453003.

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